Subject:
Die TorTour
Sehr
geehrte Damen und Herren,
mein Kollege und ich, mitlerweile beide 18-jährig, bestritten
vor etwa
einem halben Jahr die Tour des Alpenbrevets für Mountainbiker.
Unter
schwierigsten Bedingungen, bei Schnee, Regen und Kälte überwanden
wir
damals die Pässe im Gotthardgebiet. Mein Kollege hat Pannen,
Eindrücke
und Erlebnisse festgehalten.
Viel Spass beim Lesen!!!
Mit
freundlichen Grüssen Adrian Stämpfli
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Die TorTour
by
Philippe Baumann. (philippe.b@swissonline.ch) |
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Wo:
Gotthardregion – Strecke des Schweizerisches Alpenbrevet
Wie:
Mit dem Bike und genügend Doping (in Form von Sportlernahrung)
Wieviel:
109km in die Weite, knapp 3000m in die Höhe
Wer:
Adrian Stämpfli und Philippe Baumann
Wann:
8.Juni 2002
Wir
starten früh morgens indem wir den frühstmöglichen Zug Richtung Andermatt
nehmen. Und dieser fährt für mich (Autor: Philippe) um 6.08 in Wünnewil.
Kurz später steigt Adrian ein (in Thörishaus). Gut gelaunt aus unserem
schlechten Schlaf (....vor so einer Tour) treten wir die Reise an
– in Bern, Zürich und Göschenen wechseln wir den Zug, bevor wir um
zehn nach zehn in Andermatt eintreffen. Wobei zu erwähnen ist, dass
Adrian seinen Helm in Zürich im Zug vergessen hat und nur durch einen
Spurt zurück in den Intercity das Scheitern der Tour verhinderte.
Angekommen in Andermatt geben wir vorerst unseren Kleiderrucksack
zur ”Deponation” am Schalter ab. Adrian werkt noch etwas an seinen
Bremsen herum währenddessen ich meine Blase entleere. Mit einer Verspätung
von zwanzig Minuten auf unseren Tourenplan starten wir die Tour um
halb elf.
Einige
Male in die Pedale getreten, kommen wir in Hospental an, dort, wo
es beginnt zu steigen. Ich ziehe meine langen Hosen aus, behalte aber
die Regenjacke über (denn seit Andermatt rieselt es). Nur noch eine
kurze Kräftigung mit einem von dreien Powerriegeln und wir starten
in gleichmässig langsamen Tempo in die Steigungen des Gotthardpasses.
Gleich zu Beginn dieses nicht steilen Aufstieges überholen uns zwei
ältere, wohlgeformte Herren – die von uns liebevoll benannten ”Würstlis”
– wir spotten ein bisschen über sie und fahren in unserem gemütlichen
Tempo weiter. Es vergeht nicht viel Zeit und wir überholen die Würstlis
mit einem Lächeln. Gemütlich geht es weiter und wir verspüren unsere
ersten Poschmerzen. Wir müssen uns fast zwängen, nicht zu stark in
die Pedale zu treten – wir fuhren wohl wirklich langsam, denn die
Würstlis keuchten sich des neuen an uns vorbei. Kurze Zeit später
fängt es mehr an zu steigen und wir überholen die Würstlis zum zweiten
und letzten Mal. Gleich danach geht es für uns auf die alte Gotthardpassstrasse
– wir fahren auf dem Kopfsteinpflaster einem Tessiner Pensionärspärchen
vorbei, welche aus uns unverständlichen Gründen mit dem Camper dort
oben stationiert sind. Diese haben eine Riesenfreude an uns. Und uns
erfreut es ebenfalls , doch fast noch mehr Freude macht das 200 Meter
später stehende Steinschild neben der Strasse auf dem vermerkt ist,
dass unser Streckenziel ”Hospitz Gotthard” nur noch 3km entfernt ist.
Doch nun fängt es deftig an zu regnen– wir fahren zwischen den Schneefelder
auf der alten Strasse weiter und kommen in einen total dichten Nebel,
so dass wir die eigentliche Passhöhe gar nicht als den Pass wahr haben
wollten. Als wir das Hospitz in Sichtweite haben verstanden wir die
Welt fast nicht mehr – denn keiner von uns fühlte sich erschöpft.
Wir schiessen ein Passphoto (eigentlich: ”Hospitzphoto”) von jedem
und essen schnell etwas. Währenddessen treffen auch die Würstlis ein
– für sie ist hier wohl das Ende ihrer Tour. Von der Unseren ist es
erst der Anfang. Ich schaue auf die Uhr, es war schon zwölf Uhr –
wir sind um eine halbe Stunde verspätet. Also nichts wie los. Ich
stürze mich in die noch trockenen langen Hosen – Ädu
wird die ganze Tour das Tenu nie wechseln ,und auch ich werde mit
der Zeit zu faul, der letzte Wechsel wird bei mir in Airolo stattfinden.
Freudig starten wir in die Tremola – doch die Freude währt nicht lange.
Es hat dichten Nebel und es regnet in Strömen. Wir fahren mit einer
Geschwindigkeit, welche nie über die vierzig geht, denn beide von
uns haben einen riesen Respekt vor diesen tückischen Steilkurven auf
Klopfsteinpflaster. Zudem ist es nicht gerade rosig warm – mir gefrieren
meine beiden Bremsfinger fast ein – ich spüre sie auf jeden Fall nicht
mehr.
Total
durchnässt erreichen wir Airolo – vor Kälte zitternd verzerren wir
unter einem Garagevordach einige Energiespender. Danach fahren wir
durch das Dorf, ein sehr kurzes Stück steil über einen Bach und von
da an steigt es nun stetig und heftig. Doch dies begrüssen wir sehr,
denn nun wärmen sich unsere durchnässten Kleidungsstücke wieder auf.
Zudem regnete es nicht mehr! So pedalen wir gutgelaunt ca. zwanzig
Minuten, fahren unter der steilsten Standseilbahn Europas mit 88%
Steigung durch (welche wie wir das Ziel Ritomsee hat (resp. Piora)),
und biegen dann in Altanca links den Berg hinauf (wir nehmen die Teerstrasse
und nicht wie empfohlen die Abkürzung direkt durch den Wald). Kaum
sind wir abgebogen fängt es von Neuem an zu Regnen – ein richtiger
Tessinregen (d.h. in Strömen!). Nun steigt es sehr und wir schalten
in die kleinsten Ritzel. Zwei kurze Verschnaufspausen, da vor allem
ich nicht mehr mag (habe meine Krise), einige Autos, in welchen die
Fahrer uns immer bewundernde Gesten zuwerfen und nur eine 180° Kurve,
dann treffen wir bei der Staumauer des Ritomsees ein. Der See ist
fast leer – mein Energiespeicher auch – so fahren wir noch dem See
entlang bis nach Cadagno, dass anfangs Sees liegt - geniessen das
wunderschöne ”Unterwolkendeckepanorama”, denn seit der Ankunft am
Ritomersee regnet es nicht mehr – und an diesem Örtchen machen wir
einen relativ kurzen Verpflegungsrast, d.h. Ädu füllt seine Flasche
neu auf, ich verdrücke Banane und beide stärken sich mit einem Powerriegel,
den wir noch bitter nötig haben werden. Nun geht es auf Naturstrasse
weiter bis das erste Schneefeld unsern Pfad verdeckt. Noch gut gelaunt,
da wir beide denken es sei ein Einzelfall, buckeln wir das Bike und
laufen die par Meter durch den wadentiefen Schnee – wobei die Schneedecke
meistens hält wenn man darauf steht – meistens... Einige Meter können
wir wieder auf das Bike steigen, wir fahren um eine kleine Ecke und
sehen das nächste Schneefeld, von nun an laufen wir fast die gesamte
Strecke von ungefähr vier Kilometern durch den Schnee, ab und zu auch
Weg, doch an das Aufsteigen ist gar nicht zu denken. Ädu hat mit einem
physischen Tief zu kämpfen, doch wir erreichen den Passo dell'uomo
- mit einer Verspätung von mehr als anderthalb Stunden – so, jetzt
dürfen wir uns als richtige Männer fühlen. Schon bringe ich meine
Zweifel vor, dass wir unseren Zug um acht Uhr erwischen werden, denn
es ist ungefähr zwanzig nach vier.
Nun
wenn wir unsren Blick talabwärts wenden, ist die Freude auch nicht
riesengross, denn auch hier laufen wir vorerst durch den Schnee, das
Bike tragen wir seit langem nicht mehr, es ist schon sonst genügend
Kraftverschwendung durch den Schnee zu stampfen. Endlich keinen Schnee
mehr und auch schon lange keinen Regen – trotzdem sind vorallem unsere
Schuhe total nass und anfänglich noch kühl gewesen, aber das hat sich
mit der Zeit auch gelegt... Wir können aber nicht sofort auf unser
Bike steigen, erst geht es noch einige zu steile Passagen über zu
grosse Steine den Pfad hinunter. Nach einigen zusätzlichen Minuten
Bike schieben, steigen wir auf und fahren in dem mit Wasser gefüllten
Bachbeet neben dem zu schmalen Wanderweg Richtung Lukmanierpass. Vorsicht
ist hier im Bachbeet geboten – Ädu, dass erfahre ich erst später,
haut es zweimal auf den Sack, ich bekomme von dem nichts mit, denn
ich fahre mit einigem Abstand voraus. Zudem hat er Probleme mit seiner
Hinterradbremse. Völlig durchgerasselt kommen wir um viertel vor fünf
auf dem Restaurant des Lukmanierpasses an. Trotz der Verspätung von
fast zwei Stunden gönnen wir uns eine warme Ovomaltine und essen ein
Sandwich und sonstige Energie (super ”Hundefutter”). Wir erkundigen
uns wie weit es auf Disentis wäre, doch das Personal ist nicht gerade
velokundig – sie sagen uns, dass wir in einer Stunde schon unten seien...wir werden für diese Strecke zwanzig Minuten gebrauchen. In dem Restaurant entscheiden
wir uns über Disentis zu fahren anstelle der vorgeschlagenen Strecke
welche von Curaglia über Stagias Höhe auf der anderen Talseite von
Sedrun bis zum Fusse des Oberalppasses führt. Die Abfahrt machen wir
in einer Viertelstunde bei sehr starkem Regen, gleich danach hört
es auf zu regnen. Kurz vor Disentis erreichen wir den tiefstgelegene
Punk unserer Tour:1075m.ü.M.. Im Dorf vor dem kleinen Lebensmittelladen
machen wir eine kleine Pause – es ist uns nun bewusst, dass es uns
nicht mehr gelingen wird, den letzten Zug in Andermatt zu erwischen,
denn es ist nun halb sieben Uhr. Wir essen unsren letzten Kraftriegel
und werfen uns auf unsere Sättel – meinen Hintern spüre ich seit dem
Gotthardpass eh nicht mehr.
Kurz
nach Disentis machen wir beide schlapp. Beide verspüren keine Kraft
mehr in den Beinen, wir geben auf und beschliessen, den Zug über den
Oberalp zu nehmen. Mit den letzten Kräften kämpfen wir uns zum Bahnhof
Sedruns hoch, ich auf den Beinen, Ädu auf dem Bike. Dort müssen wir
erfahren, dass kein Zug mehr fährt – überhaupt gar nichts mehr. Und
wir müssen unbedingt nach Andermatt, da unser Gepäck auch dort ist.
Dieses können wir aber wohl vergessen, denn der Schalter wird dort
um acht Uhr abends schliessen.
Höchst
demotiviert und entkräftet fahren wir dem Oberalp entgegen. Ich fluche
vor mich hin und beide sind den Tränen nahe. Wir machen nun fast alle
fünfhundert Meter eine Pause – dies ist sicherlich nicht gut, doch
wir können nicht mehr! Bis nach Tschamut kämpfen wir uns durch – dem
letzten Dorf vor dem Oberalp oder dem ersten am Rhein, auf was sie
sehr stolz sind (....). Nun telephoniere ich mit Ädus Natel nach Hause.
Ich sage, dass wir den acht Uhr Zug verpassen werden (nun ist halb
acht). Ich bitte sie, sich mit dem Bahnhof Andermatt in Verbindung
zu setzten um unsren Rucksack nach draussen zu stellen, damit wir
den wenigstens haben. Kurze Zeit später, wieder in den Pedalen, klingelt
es. Es habe um Neun Uhr noch einen Zug, welcher bis nach Bern fahre,
der Rucksack sei draussen deponiert. Doch wir sollen auf keinen Fall
pressieren, lieber sollten wir in einem Hotel übernachten, empfahlen
uns die Eltern
Diese
Nachricht riss mich hoch. Wir pressten den übrigen Powerbar in uns
hinein und stürzten uns gegen das Gefälle. Ädu muss mich richtiggehend
beruhigen, dass ich nicht zu schnell in die Kurven ”hineinrase”. Wir
fahren in gleichmässigem Rhythmus den Berg hinauf (diesen Pass meistern
wir mit höchster Geschwindigkeit), als plötzlich ein verletzter Töfffahrer
auf der Strasse steht. Dieser greift sich an seine Schultern, blutet
an der Hand und zittert stark. Ädu gibt ihm sein Natel – ich möchte
eigentlich weiterfahren, denn ich schaue schon ganz verängstigt auf
die Uhr; es ist zwanzig nach acht. Zum Glück kommt gleich ein älteres
Zürcher Ehepärchen, welche sich um den verletzten Töfffahrer kümmern.
(Er war mit dem Töff in der Kurve abgerutscht- sehr nasse Strasse.)
Wir
begeben uns weiter. Es geht nicht lange und wir treffen mit Freudenschreien
auf dem Oberalppass ein. Schnell schiesse ich ein Passphoto. Jetzt
haben wir noch genau fünfzehn Minuten Zeit, dann fährt unser Zug in
Andermatt. Und diesen will ich erwischen. So stürze ich mich mit dem
Bike Richtung Tal und Ädu schaut, dass er nachkommt. Die Passstrasse
ist leer von Autos, doch gefährlich nass, zudem fängt es erneut zu
regnen an. Ich vertraue dem Pneu und geniesse die weiten Kurven. Kaum
einmal fällt die Geschwindigkeit unter die fünfzig. Jede gerade Strecke
schaue ich wieder auf die Uhr und trete aufs neue in die Pedale. Auf
die Minute genau treffen wir in Andermatt ein. Der Zug hat eine kleine
Verspätung – wir freuen uns enorm über unsere Leistung, nehmen unseren
Rucksack in Empfang, auf welchem freundlicherweise ein Fahrplan plaziert
ist! Ich breche nun vor Übelkeit fast zusammen, doch die Tour ist
unter härtesten Bedingungen, mit Schnee, Regen und Kälte geschafft
worden. Unsere Eltern glauben uns kaum, als wir Bericht geben, dass
wir im Zug sind – sie überlegten sich schon in welches Hotel wir gehen
werden.....
Unser
Fazit
1. Entdeckung einer neuen Sportart, durch
uns benennt als ”Snowfield hiking with bike on the shoulders”
2. Tour wirklich wie empfohlen erst Ende
Juni machen.....
3. Nässe und Schnee sind kein Problem mehr:
Falls man mal richtig nass ist, sorgt man nur noch dafür, dass die
durchnässten Kleider warm werden und man fühlt sich wie in Neopren.
4. Glukosesyrup, Kraftriegel u. Co. können
einem wahnsinnig behilflich sein