Alpenbike III
1995

Von St. Kassian an den Garda See

Mit Gerd, Harry, Reinhard und Andreas

 
1.Tag: St. Kassian - Canazei

St. Kassian - Prolongia - Arabba - Belvedere - Pso. Pordoi - Canazei

(HM 2.100 - aber davon 960 Weicheierseilbahnhöhenmeter)

Am Freitag, den 14.07.95 reisen wir (Gerd, Andreas, Reinhard und Harry) nach St. Kassian, um die letztjährige Tour fortzusetzen. Ein Gewitter hat für deutliche Abkühlung gesorgt, ein Regenbogen spannt sich über die hoch aufragenden Dolomitenwände der Kreuzkofelgruppe. Die Temperatur am ersten Morgen unserer Tran­salptour erinnert uns an letztes Jahr. Es hat empfindliche 11 Grad. Jedoch kommt bald die Sonne durch die Wolken und erhitzt unsere Körper als wir den ersten An­stieg zur Pralongia nehmen. Linker Hand haben wir einen klaren Blick zum Passo Tadega und dem Val di Fanes, kaum zu glauben, daß wir letztes Jahr bei Regen und Gewitter einen Weg durch diese Felswüste gefunden haben und heil in St. Kas­sian angekommen sind. Die Auffahrt zur Pralongia führt überwiegend durch bunte Blumenwiesen, die teils etwas sumpfig und unwegsam sind. Auf der Pralongia ha­ben wir einen schönen Rundblick über die Dolomiten und auf die sich hinauf­schlängelnden Paßstraßen Falzarego, Grödner und Pordoi. Der Downhill führt zu­nächst durch sumpfiges aber fahrbares Gelände über Cherz Richtung Arabba. Um der Teerstraße zum Pordoijoch mit vielen stinkenden Autos zu entgehen, entschlie­ßen wir uns, die Seilbahn zum Belvedere, dem höchsten Punkt unserer Tour (2565 m), zu nehmen um dann über einen Trialweg zum Passo Pordoi zu gelangen. Von dort haben wir einen phantastischen Blick zur Marmolada und deren Gletscher­zunge. Auf dem Asphaltdownhill mit unzähligen Serpentinen rauschen wir mit „70 auf dem Tacho“ an Autos und Landschaft vorbei nach Canazei. Wir beenden den Tag mit einem Eisdielenbesuch in der heißen Nachmittagssonne in Canazei.
 

2.Tag: Canazei - Völs

Canazei - Mahlknecht-Joch - Tierser-Alpl-Hütte - Schlernhäuser -Seiser Alm- Seis - Völs

Hm 1650

Am Morgen ist der Himmel bereits stahlblau und jeder freut sich auf den heutigen Tourentag, der aufgrund der Streckenführung (Durontal, Mahlknecht-Joch, Roß­zähne, Tierser Alpl Haus, Schlern) einen landschaftlichen Höhepunkt bildet. Auf dem Weg zur Duron-Hütte (1845m) sind immer wieder sehr steile Rampen einge­baut. Die Sonneneinstrahlung und stetig steigende Temperaturen tun ihr übriges, um unsere Trikots in patschnasse Lappen zu verwandeln. Unsere Mühen werden aber mit einem eindrucksvollem Blick zu den stark zerklüfteten Roßzähnen belohnt. Bevor sich der Wanderweg jedoch weiter hinauf windet, legen wir eine Pause ein und füllen unsere Trinkflaschen in dem eiskalten Gebirgsbach. Von hier können wir die Aussicht auf Platt- und Langkofel in östlicher Richtung und Rosengarten in westlicher Himmelsrichtung genießen. Die Auffahrt zum Mahlknecht-Joch bis zum Tierser-Alpl-Haus nimmt an Steilheit beständig zu. Aufgrund der schweren Ruck­säcke werden wir immer mehr zur Schiebearbeit gezwungen. Am Tierser-Alpl-Haus bringt uns dann ein großer Teller Pasta neue Kraft zurück für den wohl anspruchs­vollsten Teil unserer ganzen Tour. Von weitem sehen wir bereits den schmalen Weg am Fels entlang hoch zum Schlern, links davon fällt es jäh ab und läßt die Wände der Grasleiten- Spitzen (2702 m), zum Gebirgszug Rosengarten gehörend, noch imposanter wirken. Der Weg auf den Schlern hoch fällt unter die Kategorie „nimm das Teil auf die Schulter damit Du die Hände frei hast“. Oben werden wir von einem älteren Italiener stürmisch empfangen und fotografiert. Er hat hier oben wohl noch nie einen Mountain-Biker gesehen.

Nachdem der Knüpplerweg verschüttet ist erwartet uns ein 700hm-Abstieg. Abgesehen von den körperlichen Strapazen werden wir am heutigen Tag auch noch durch Materialschäden behindert. Das Rad von Andreas verweigert im „schönsten“ Trialstück plötzlich die Weiterfahrt. Das Hinterrad hat einen Schlag, so daß wir die Bremse aushängen müssen und den Schaden nur notdürftig beheben können. Allein die Vorderradbremse muß nun Schwerstarbeit verrichten und Biker und Bike heil bis nach Seis transportieren. Aufgrund der hohen Hitze am Vorderrad verabschiedet sich schließlich der Schlauch. Gott sei Dank überstehen wir die Weiterfahrt nach Seis dann ohne weitere Schäden.

In der Eisdiele besprechen wir erst einmal die Lage und entscheiden, was zu tun ist. Wir beschließen, zunächst einmal ein Nachtquartier in Völs zu suchen. Als am nächsten Morgen der Schaden in einer Autowerkstätte behoben werden kann, steht einer Weiterfahrt nichts mehr im Wege.

 

3.Tag: Völs - Branzoll

Völs -Schnaggenkreuz - Brien - Birchabruck - Deutschnofen - Leifers

Hm 1800

Bereits am Morgen klettern die Temperaturen kräftig nach oben, wir schwitzen sehr stark, wodurch unzählige Mücken angelockt werden. Die Auffahrt zum Schnaggen­kreuz könnte auch Schnackenkreuz heißen wegen der lästigen "Bremsen". Die heutige Streckenführung ist das Gegenteil vom Vortag. Wir fahren überwiegend durch bewaldete Gegenden. Trotzdem ist auch diese Etappe nicht leicht, weil wir auf der Strecke nach Leifers das Tierser- und das Eggental kreuzen und so geht es oft und steil bergauf und -ab.

An baumlosen Stellen können wir die Ausblicke zum Rittner Horn, den schneebedeckten Alpenhauptkamm und nochmals den Rosengarten genießen. Einen fahrerischen Höhepunkt an diesem Tag bietet der Trail von Deutschnofen durch das Brantental nach Leifers. Knappe 10km durch eine Schlucht in verblocktem Gelände strapazieren Fahrer und Material enorm. Wieder einmal ist Andreas mit Materialverlusten an der Reihe (ha ha ha...).

Durch die groben Blöcke hat der Reifen durchgeschlagen und den Schlauch zerstört. Bis Leifers währt nun unser Glück. Aber bei einer kleinen Rast pfeift es auch schon wieder an Gerds Rad. Der nächste Schlauch gibt seinen Geist auf. Nach so viel Materialpech haben wir schließlich Glück im Unglück. Gleich um die Ecke ist ein Fahrradladen und wir können uns wieder mit neuem Material eindecken. Man weiß ja nicht, was noch kommt.

Unser Nachtquartier in Branzoll erreichen wir dann ohne Zwischenfälle. Aufgrund der Meereshöhe von 280m im Etschtal ist es auch am Abend noch angenehm warm. Wir sitzen lange im Garten des Gasthofes Bahnhof unter dichten Kastanien, die mich an einen Münchner Biergarten erinnern, trinken "Roten" und Weißbier, tauschen Erinnerungen aus und planen die nächsten Tage.

 

4.Tag: Branzoll - Cles

Leifers - Tramin - Fennhals - Fennerjoch - Coredo - Clès

Hm 1575

Wir starten nach ausgiebigem Frühstück und fahren die ersten 20km durch die zahlreichen Obst- und Weingärten im Etschtal Richtung Tramin. Von dort folgen wir noch einige Kilometer der Südtiroler Weinstraße bis Kurtasch. Hier beginnt die "Uphillarbeit" zum Fennerjoch. Ein schier endloses Asphalt­band zieht sich hinauf, die Sonne brennt gnadenlos auf die Teerstraße und unsere Körper.

Wir müssen oft halten, um eine Trinkpause einzulegen. Obwohl wir aufgrund des Höhenprofils wußten, was uns erwartet, hofft doch jeder, daß die lange Berg­auffahrt bald zu Ende ist. An der Wirtschaft Boarenwald ha­ben wir eine ca. 12km lange Steigung hinter uns. Hier legen wir endlich eine Pause vorm Räthersteig zum Fennerjoch ein. Ab dort beginnt ein Wanderpfad, der wohl wenig begangen ist, da er abschnittsweise stark zugewachsen und kaum noch erkennbar ist.


Wir sind froh, daß es im Wald etwas schattig und kühler ist, aber Fliegen und Mücken verfolgen uns den ganzen Weg und treiben uns schier den Berg hinauf. Der anschließende, schier endlose, Downhill beschert uns einen Blick ins Val di Non und die dahinter liegende Brenta. Bis Coredo hält es uns in den Sätteln, jedoch eine Eisdiele mit schattenspendenden Sonnenschirmen zwingt uns förmlich zum Anhalten.

Dort hecken wir unsere weiteren Pläne aus und beschließen, in Cles zu übernachten, um dann am darauffolgenden Tag bis zum Lago di Tovel zu fahren. In Cles sitzen wir noch lange in die Nacht hinein in einer der zahlreichen Bars, beobachten die Leute, reden über den vergangenen Tag, essen Eis oder erfreuen uns an einem kühlen Getränk.

 

5.Tag: Cles - Lago di Tovel

Hm 650

 

Wir haben nun bereits 200km und über 6.000 Hm hinter uns. Kein Wunder, daß die Beine von Tag zu Tag schwerer werden und so ist letztendlich auch jeder froh, daß wir heute nur 600 Hm bis zum Lago di Tovel vor uns haben. In einem nahegelegen Supermarkt kaufen wir die letzten Gatorate Flaschen, um uns für den schweißtreibenden Anstieg zu rüsten. Bei der Auffahrt sehen wir in der Ferne die noch schneebedeckten Gipfel der Brentagruppe. Wir bewegen uns jedoch auf einem Asphaltband mit flimmernder Luft in Richtung Tovelsee. Zwischenzeitlich halten wir immer wieder an, um unter schattenspendenden Bäumen eine Ruhepause einzulegen.

Als wir gegen Mittag den bewaldeten See erreichen, sind wir froh die Entscheidung getroffen zu haben, hier im Albergo Lago Rosso zu übernachten.

Die Unterkunft hat ihren Namen von der ursprünglich roten Färbung des Sees durch Algen, die leider aufgrund der Umweltverschmutzung abgestorben sind. Aber nichts desto trotz ist es ein schönes Plätzchen hier oben in den Bergen. Den Nachmittag verbrin­gen wir am See, Gerd scheint nicht ausgelastet und umwandert den See. Ganz "harte Jungs" wie z.B. Andreas springen sogar in das sehr eiskalte und glasklare Gebirgswasser, der Rest der Truppe liegt in der Sonne und tankt Kraft für den darauffolgenden Anstieg in die Hochgebirgswelt der Gruppo die Brenta.

Wie sich später herausstellt, sind wir nicht die einzigen Biker in dieser Gegend. Am frühen Abend treffen immer mehr "Artgenossen" ein, um hier zu übernachten. Darunter sind auch ein paar Jungs aus Bielefeld und Hamburg, die die zuletzt veröffentliche Transalptour aus dem "Bike" über das Eisjöchl abfahren. Ihre besondere Leistungsfähigkeit wollen sie bereits vor Beendigung der Tour beweisen, indem sie ein T-Shirt mit Bildaufdruck, Angabe von „10.000 Hm“ und „Transalp 95“, tragen. Wir können uns mit dieser großkotzigen Art nicht anfreunden. Nach dem Abendessen verschwinden wir recht bald ins Nachtquartier, um am nächsten Morgen fit zu sein.

 

6. Tag: Lago di Tovel - Madonna di Campiglio

Brentaüberquerung

am

Pso. al Groste

Hm 1270

Wir stehen etwas früher als sonst auf und frühstücken bereits um 7.30 Uhr, weil es wieder ein sehr heißer Tag wird und ein langer, mühsa­mer Anstieg bevorsteht. Der Weg führt durch eine bewaldete Gegend im Valle di S. Maria Flavona Richtung Gro­ste-Paß. Bis ca. 1500m ist alles noch fahrbar, dann beginnen sehr steile Stücke auf denen uns unsere Rucksäcke schier vom Rad zerren. Durch das starke Schwitzen werden schon wieder unzählige Fliegen angelockt, die uns fortwährend belästigen. Wir wollen kaum rasten, weil uns die Biester dann gar nicht mehr vom Leib rücken. Wir hoffen, daß wir die Plage nach Verlassen des Waldstückes hinter uns lassen. Fehlanzeige. Inmitten der Brentagruppe arbeiten wir uns langsam nach oben.

Das wohl schönste Teilstück ist das Biotopo Malga Flavona. Eine riesige Fläche mit Gräsern und Blumen breitet sich hier oben auf ca. 2000m aus umringt von Felstürmen. Das Rad schiebend überqueren wir dieses wunderschöne Stück der Tour, dann geht’s nochmals kräftig zur Sache.

Der gestrichelte Weg hinauf zum Passo del Groste ist steil und steinig. Wir müssen die Räder wieder mal schultern. Die phantastischen Ausblicke und Stimmungen hier im Herz der Brenta Gruppe entlohnen aber für jede Mühe. Übrigens verfolgen uns die Fliegen bis zum Ristorante am Paß. Von Madonna aus führen Gondeln hierauf. Im Winter ist es ein Skigebiet.

Der steile und steinige Downhill nach Madonna bringt nicht nur unsere Finger zum Schmerzen. Unten angekommen sehnt sich die Bikercrew nach einem Hotel mit Whirlpool. Wir merken alle, daß wir doch schon ganz schön erschöpft sind. Wir finden schließlich ein Hotel mit Swimmingpool und vergnügen uns am Nachmittag in den kühlen Fluten. Danach -beim obligatorischen Eis- begegnet uns einer der vier coolen Hamburger „Negerlein“. Der Rest hatte aufgegeben. Soviel zum Thema T-Shirt.

 

7.Tag: Madonna di Campiglio - Dro

Madonna di Campillo - Lago di Val dÁgola - Pso. Bregn de l´Ors - Stenico - Sarche - Dro

Hm 980

 
Unser Abenteuer Alpen per pedes neigt sich langsam dem Ende zu. Das letzte Mal schultern wir unsere Rucksäcke und machen uns nach üppigem Frühstück auf zur letzten Etappe. Die Wegführung ins Val d`Agola ist auf unser Karte nur schwer erkennbar doch mit etwas Pfadfinderspürsinn finden wir auch diesmal den richtigen Weg. Aufgrund der anhaltenden Schönwetterlage tauchen die gewaltigen Brenta-Wände nur langsam aus dem morgendlichen Dunst auf.
 

Vom Lago di Val d`Agola sehen wir schon von weitem den letzten steilen Passo Bregn de l`Ors. Über steile Serpentinen im Wald arbeiten wir uns zielstrebig nach oben. Die richtige Wegwahl wird hier oben noch mal zum Lotteriespiel, aber Scout Andreas weiß wohin. Nach Mittagsrast in einem Rifugio am Wegesrand und den obligatorischen Spaghetti beginnt ein nicht endend wollende Bergabfahrt von über 10km Länge über losem Schotter Richtung Stenico.

Die technisch anspruchsvolle Abfahrtspiste wird dem Bikepiloten Reinhard zum Verhängnis. In einer Kurve will sein Rad in eine andere Richtung als er. Die Schürfwunden können wir notdürftig versorgen und unsere Fahrt sogleich fortsetzen. Nach nur kurzer Fahrt zwingt uns eine erneute Reifenpanne zu einem weiteren Zwangsstopp.

Nach Stenico fahren wir an einer Schlucht entlang, in der 200m tiefer die Sarca Richtung Torbola in den Gardasee fließt. Hier oben ist es aber sehr heiß, die umliegende Gegend verschwindet im Hitzedunst, der Asphalt reflektiert gnadenlos die heißen Sonnenstrahlen und wir saugen die letzten Tropfen aus unseren Trinkflaschen heraus.


Die letzten Kilometer zu unserem Ziel einem Hotel in Dro werden nur noch ein Kampf gegen die Hitze. Als wir am frühen Nachmittag dort eintreffen sind alle froh, eine erlebnisreiche Bikewoche (7 Tage) hinter uns und dabei knapp 300km und 9.000 Hm bewältigt zu haben. Auch ohne T-Shirt mit Aufdruck wird uns dieses Abenteuer lange in Erinnerung bleiben. Im schattigen Poolgarten empfangen uns Gaby und Manuela und wir schwärmen zwischen gestern und...   

 

...der nächsten Tour!

„Memories“

 

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