Alpenbike II : 1994 Vom Spitzingsee nach Südtirol
(St. Kassian) Abenteuer Alpen:
Up and down
Prolog:
Als
wir am Morgen erwachen, können wir es kaum glauben. Es hat aufgehört
zu regnen. Trotz bewölktem Himmel schöpfen wir Hoffnung auf einen
trockenen Tag. Am Spitzingsattel ist es empfindlich kalt. Bevor wir
starten, kramt jeder in seinem Rucksack, ob er nicht doch noch ein
warmes Kleidungsstück findet. Schon jetzt wird jedem bewußt, warum
wir 9 kg schwere Bags bis nach Italien mitschleifen müssen. Außer
der Kälte nehme ich noch die Glocken der Weidekühe wahr, die letztlich
unseren Start einläuten.
Um
7 Uhr heben wir unser "unwilliges Fleisch" aus den Federn,
schauen aus dem Fenster und beratschlagen, was wohl die passende Kleidung
ist. Nachdem wir am heutigen Tag den höchsten Punkt unserer Tour,
die Überquerung des Alpenhauptkammes, das Pfitscher-Joch, 2.258 m
erreichen, wählt jeder seine lange Hose. Das Frühstück ist nicht "Radler-like".
Lediglich Semmeln, Marmelade, verpackten Streichkäse und Leberwurst
zieren den Frühstückstisch. Mein Appetit läßt zu wünschen übrig und
ich esse nur eine Semmel. Das wird mir später noch teuer zu stehen
kommen. Die Straße windet sich endlos bis zum Schlegeisspeicher hinauf.
Immer wieder fragen wir Gerd nach der erreichten Höhe, die er akribisch
mit seiner Casio mißt. Endlich sehen wir die Staumauer des Speichersees
mit dem dahinterliegenden Gletscher Schlegeiskees. Noch drei Kehren
und einen Müsliriegel und ein Großteil der Tagesetappe ist geschafft.
Oben am See bläst uns ein kräftiger Südwind entgegen. Der Himmel ist
mittlerweile azurblau und spiegelt sich im Schlegeissee, in dem sich
kleine Wellen kräuseln. Wir reißen unsere nassen Klamotten vom Körper,
trinken einen heißen Tee und genießen die warme Höhensonne. In der
Karte ist der Weg zum Pfitscher Joch „gestrichelt“ als
Wanderpfad eingezeichnet. Das verheißt nichts gutes für Mountainbiker.
Schon nach wenigen Metern stellt sich heraus, daß der Weg größtenteils
nicht fahrbar ist. Das bedeutet für uns eine Schiebe- und Tragepassage
von ca. 500 Höhenmeter (Hm). Als wir uns über die Gesteinsbrocken
kämpfen, sind wir heilfroh, daß es nicht naß ist. Bei widrigen Wetterverhältnissen
wäre dieser Pfad nur unter größten Mühen zu bewältigen. Wir blicken
immer wieder auf die Uhr, denn dieser Teil der Tour kostet uns enorme
Zeit. Endlich sehen wir gegen 14 Uhr die österreichische und italienische
Flagge. Ein entschädigender Downhill nach Sterzing kann beginnen.
Mit über 60 km/h „fliegen“ wir an den beeindrückenden
Bergrücken des Alpenhauptkammes vorbei hinab ins Tal. Warme Luft und
Sonnenschein begrüßen uns in Südtirol. Wir freuen uns auf den ersten
"Roten". Um uns die vielbefahrene Brennerbundesstraße zu
ersparen, nehmen wir den Zug von Sterzing nach Franzensfeste. Von
Franzensfeste ist es nur noch ein kurzer Weg durch Obstbäume und Alleen
zu unserem Etappenziel Mühlbach. 3. Tag: Mühlbach Zwangspause. Gerd, der schon am Vortag von seinem Ischiasnerv geplagt wurde, kann kaum noch laufen, sitzen, stehen - auf keinen Fall weiterfahren. Nach 2 Spritzen vom Dorfdoktor nehmen wir die Deppenseilbahn nach Meransen und faulenzen in der Sonne bei Bier und Hax´n mit dem unguten Gefühl im Nacken, die Tour abbrechen zu müßen. Wenn, dann alle gemeinsam. Denn ankommen wollen wir schließlich als Team! 4. Tag: Mühlbach - St. Vigil
Mit
ABC-Pflaster und Zähnebeißen geht´s weiter. Die Skepsis ist zwar noch
nicht ganz verschwunden aber doch sichtlich erleichtert fahren wir
von unserem Quartier wenige Meter bergab. Wenig später steigt es steil
an und wir ziehen unsere Fleecejacken aus. Der Himmel ist bedeckt
und es hat angenehme Temperatur für den langen Anstieg zu den Roßalmen
und der Starkenfeldhütte. Gerd entledigt sich - schmerzverzerrt seines
Rucksackes. Andi und ich wechseln uns fortan mit dem Vergnügen zwei
Rucksacke hinaufbefördern zu dürfen ab. Durch die Fichtenwälder geht
es über 1300 Hm stetig bergauf und Mühlbach verschwindet langsam im
Morgendunst. Auf den letzten Metern zur Starkenfeldhütte fröstelt
es uns, da ein kühler Wind gegen unsere feucht geschwitzten Radhemden
bläst. Die Wirtin der Hütte hat bereits den offenen Kamin angeschürt.
Als wir den Raum betreten vernebeln Rauchschwaden den Raum, bis genügend
Durchzug entsteht. Nachdem wir unsere Shirts auf die Terrasse zum
Trocknen gehängt und den warmen Fleece übergestreift haben, erwärmen
sich unsere Körper. Je nach Geschmack bestellt jeder ein warmes Essen,
besonders Gerd ist von dem Gulasch und der Kochkunst der Hüttenwirtin
begeistert. Schon früh am Nachmittag erreichen wir Zwischenwasser.
Dort halten wir nach einem Cappuccino Ausschau, jedoch ist in einem
Lokal die Kaffeemaschine kaputt und das andere hat geschlossen, so
holt sich jeder was im Supermarkt zu essen. Die letzten Kilometer
nach St. Vigil legen wir auf der Straße zurück. Immer wieder beeindrucken
uns die teils in Wolken gehüllten Dolomitenfelsen. Nach dieser anstrengenden
Etappe sind wir uns einig, daß wir eine Unterkunft mit Sauna und Whirlpool
brauchen. Bei einem Hotel Garni haben wir Glück und können unsere
Wünsche erfüllen. Wir holen uns von der Wirtin Getränke und verbringen
gute 2 Stunden in dem toll gestalteten Naßbereich.
Am
Morgen hat es deutlich abgekühlt. Jeder holt seine lange Radhose aus
dem Rucksack und auch Fleece-Pullover und Regensachen werden ganz
oben in den Rucksack gepackt. An diesem Tag stehen nicht ganz so viele
Höhenmeter auf dem Programm. Allerdings steigt die Straße nach Pederü
nur gering an, so stellen wir uns schon geistig auf einen steilen
Uphill ab Perderü ein. Schon von weitem erkennen wir die sich emporwindende
Schotter-Sandpiste hinauf zur Faneshütte. Viele gehfaule Wanderer
lassen sich von der Alm Pederü mit Jeeps, die als Taxis fungieren,
zur Faneshütte hinaufkarren. Der Anstieg stellt sich wirklich als
sehr steil heraus und jeder schaltet in seinen kleinsten Gang. Häufig
rutscht auch noch das Hinterrad auf dem losen Untergrund durch. Das
kostet Kraft. Nach den Serpentinen peitscht uns immer wieder ein unangenehm
kalter Wind entgegen, so daß wir häufig stoppen müssen um uns an-
und auszuziehen. Zwischen einer schroffen Felslandschaft erblicken
wir die Faneshütte auf 2.051m. Die Hütte ist sehr gemütlich. Andi
und ich essen Bandnudeln mit frischen Schwammerln. Die Anstrengung
vom Anstieg ist vergessen. Das
Zimmer gleicht einer Wäscheleine. Überall hängen nasse Kleidungsstücke.
Leider verspricht der Wetterbericht nichts gutes. Schneefall ab 1300m
wird angekündigt. Unsere Unterkunft liegt zwischen 1500 und 1600m.
Noch schneit es nicht - die Weiterfahrt würde uns aber auf 2.600m
Höhe führen. Da unsere Weiterfahrt gefährdet ist, machen wir uns schon
Gedanken wie wir nach Deutschland zurückkommen könnten. Wo ist der
nächste Bahnhof? 6. Tag: St. Kassian - Bruneck
Das Gewitter vom Vorabend hat einen Wetterumschwung eingeleitet. Es hat sehr stark abgekühlt und wir messen knapp 7 Grad am Morgen. Als wir jedoch den blauen Himmel sehen, sind wir wieder zuversichtlich. Nach dem Frühstück trübt es allerdings wieder ein und es beginnt stark zu regnen. Wir lesen den Wetterbericht der örtlichen Zeitung. Er verheißt nichts gutes. Wir beratschlagen und überlegen. Irgendwann entschließen wir uns dann doch zum Abbruch. Schneefall ab 1300m ist angesagt - und wir wollen auf über 2.600m . Also auf nach Bruneck und mit dem Zug über den Brenner nach Österreich. Andi telefoniert und holt Auskünfte über Abfahrtszeiten ein. Wir ziehen uns derweil regenfest an. In strömendem Regen fahren wir auf der Straße nach Bruneck. Nach gut 1 Std. Regenraserei erreichen wir den Bahnhof in Bruneck, strippen in der Wartehalle und ziehen uns trockene Kleidung an. Nach einem wärmenden Cappuccino und einer Specksemmel, steigen wir in den Zug nach Franzensfeste. Der Regen läßt nicht nach und bis zum Brenner schüttet es wie aus Eimern. Erst in Innsbruck auf der Alpennordseite beruhigt sich der ewige Regen. Wir reden schon wieder über eine Fortsetzung der Tour im nächsten Jahr. Vielleicht bis zum Gardasee oder in den Seealpen? Aber auf jeden Fall eine Tour. Biken macht süchtig! |
this website is part of www.trail.ch by RedOrbiter |
Weiter
Tourenvorschläge mit Beschreibungen und Infos sind erwünscht
|
zu dieser Homepagesite so sende mir eine E-Mail an obige Adresse. Copyright© 2003 by Redorbiter, all Rights reserved |
Homepage ¦ Touren ¦ Alpenbike Historie ¦ Alpenbike II 1994 |