Alpenbike II : 1994

Vom Spitzingsee nach Südtirol (St. Kassian)
Mit Gerd, Harry und Andreas




Abenteuer Alpen: Up and down
 vom Spitzingsee nach Südtirol



       
      9. September. - 15. September 1994





Prolog:

Am Vorabend unserer geplanten Alpenüberquerung treffen wir uns in Bruckmühl. Als die beiden Freunde bei mir eintreffen, ist der Föhn bereits zusammengebrochen, und es hat angefangen heftig zu regnen. Unsere Motivation bewegt sich in Richtung Nullpunkt. Jedoch sind wir uns alle drei einig, daß wir auf jeden Fall die Tour starten werden, egal wie weit wir es schaffen.
Nach einer kleinen Brotzeit und Weißbier sprechen wir den Verlauf der Route kurz durch. Anschließend checken wir unser Gepäck.. Werkzeug, Landkarten und Arzneimittel werden einigermaßen gerecht aufgeteilt. Zuvor hatte mein Rucksack noch 6,5 kg, jetzt wiegt er bereits 8,5 kg ist aber trotzdem noch der Leichteste von allen dreien. So bekomme ich noch den Fotoapparat aufgehalst. Andi und Gerd scherzen noch, ob ich vielleicht doch noch die Autobatterie mitnehmen sollte. Meine Gedanken drehen sich jedoch, ob ich nicht doch was wichtiges vergessen haben sollte?


1. Tag: Spitzingsee - Ginzling

Als wir am Morgen erwachen, können wir es kaum glauben. Es hat aufgehört zu regnen. Trotz bewölktem Himmel schöpfen wir Hoffnung auf einen trockenen Tag. Am Spitzingsattel ist es empfindlich kalt. Bevor wir starten, kramt jeder in seinem Rucksack, ob er nicht doch noch ein warmes Kleidungsstück findet. Schon jetzt wird jedem bewußt, warum wir 9 kg schwere Bags bis nach Italien mitschleifen müssen. Außer der Kälte nehme ich noch die Glocken der Weidekühe wahr, die letztlich unseren Start einläuten.
Auf den ersten 6 km nach Valepp pfeift uns ein kalter Wind auf nasser Straße entgegen und jeder ist froh, daß wir Handschuhe dabei haben. Nach dem Wirtshaus Valepp fahren wir noch ein kurzes Stück, bevor uns dann eine längere Passage wegen nasser Steine und Bäume zum Schieben zwingt. Zudem ist der schmale Pfad nichts für empfindliche Gemüter. Wolkenfetzen hängen noch am Schinder, aber mehr und mehr bessert sich das Wetter und immer mehr Sonnenstrahlen färben die Blätter des Mischwaldes. Bei einer kurzen Pause am Flußufer legen wir unsere Regenkleidung ab. Andi erfrischt sich im rauschenden Fluß von den Anfangsstrapazen. Wir machen die ersten Bilder und sind gutgelaunt.
Ab der Erzherzog-Johann-Klause rollt unser Rad, abgesehen von einer kleinen Steigung, gen Inntal. Wir beschließen von Straß nach Mayerhofen mit der Zillertalbahn zu fahren. Während wir am Bahnhof auf einer Bank auf den Zug warten, sitzt jeder schon mit kurzem Hemd da und läßt sich von den warmen Sonnenstrahlen verwöhnen. Wir sind zuversichtlich, daß das gute Wetter anhält und uns die Überquerung des Pfitscher Joches am nächsten Tag ermög­licht.
Unser erstes Quartier schlagen wir in Ginzling auf. Der ruhige Ort erscheint fast gespenstisch im Gegensatz zu den Nachbarorten im Tuxertal. Neben ein paar Wanderern und uns verschlägt es sicher nur wenige Leute hier her.


2. Tag: Ginzling - Mühlbach

Um 7 Uhr heben wir unser "unwilliges Fleisch" aus den Federn, schauen aus dem Fenster und beratschlagen, was wohl die passende Kleidung ist. Nach­dem wir am heutigen Tag den höchsten Punkt unserer Tour, die Überquerung des Alpenhauptkammes, das Pfitscher-Joch, 2.258 m erreichen, wählt jeder seine lange Hose. Das Frühstück ist nicht "Radler-like". Lediglich Semmeln, Marmelade, verpackten Streichkäse und Leberwurst zieren den Frühstückstisch. Mein Appetit läßt zu wünschen übrig und ich esse nur eine Semmel. Das wird mir später noch teuer zu stehen kommen. Die Straße windet sich endlos bis zum Schlegeisspeicher hinauf. Immer wieder fragen wir Gerd nach der erreichten Höhe, die er akribisch mit seiner Casio mißt. Endlich sehen wir die Staumauer des Speichersees mit dem dahinterliegenden Gletscher Schlegeis­kees. Noch drei Kehren und einen Müsliriegel und ein Großteil der Tagesetappe ist geschafft. Oben am See bläst uns ein kräftiger Südwind entgegen. Der Himmel ist mittlerweile azurblau und spiegelt sich im Schlegeissee, in dem sich kleine Wellen kräuseln. Wir reißen unsere nassen Klamotten vom Körper, trinken einen heißen Tee und genießen die warme Höhensonne. In der Karte ist der Weg zum Pfitscher Joch „gestrichelt“ als Wanderpfad eingezeichnet. Das verheißt nichts gutes für Mountainbiker. Schon nach wenigen Metern stellt sich heraus, daß der Weg größtenteils nicht fahrbar ist. Das bedeutet für uns eine Schiebe- und Tragepassage von ca. 500 Höhenmeter (Hm). Als wir uns über die Gesteinsbrocken kämpfen, sind wir heilfroh, daß es nicht naß ist. Bei widrigen Wetterverhältnissen wäre dieser Pfad nur unter größten Mühen zu bewältigen. Wir blicken immer wieder auf die Uhr, denn dieser Teil der Tour kostet uns enorme Zeit. Endlich sehen wir gegen 14 Uhr die österreichische und italienische Flagge. Ein entschädigender Downhill nach Sterzing kann beginnen. Mit über 60 km/h „fliegen“ wir an den beeindrückenden Bergrücken des Alpenhauptkammes vorbei hinab ins Tal. Warme Luft und Sonnenschein begrüßen uns in Südtirol. Wir freuen uns auf den ersten "Roten". Um uns die vielbefahrene Brennerbundesstraße zu ersparen, nehmen wir den Zug von Sterzing nach Franzensfeste. Von Franzensfeste ist es nur noch ein kurzer Weg durch Obstbäume und Alleen zu unserem Etappenziel Mühlbach.

3. Tag: Mühlbach

Zwangspause. Gerd, der schon am Vortag von seinem Ischiasnerv geplagt wurde, kann kaum noch laufen, sitzen, stehen - auf keinen Fall weiterfahren.

Nach 2 Spritzen vom Dorfdoktor nehmen wir die Deppenseilbahn nach Meransen und faulenzen in der Sonne bei Bier und Hax´n mit dem unguten Gefühl im Nacken, die Tour abbrechen zu müßen. Wenn, dann alle gemeinsam. Denn ankommen wollen wir schließlich als Team!

4. Tag: Mühlbach - St. Vigil

Mit ABC-Pflaster und Zähnebeißen geht´s weiter. Die Skepsis ist zwar noch nicht ganz verschwunden aber doch sichtlich erleichtert fahren wir von unserem Quartier wenige Meter bergab. Wenig später steigt es steil an und wir ziehen unsere Fleecejacken aus. Der Himmel ist bedeckt und es hat angenehme Temperatur für den langen Anstieg zu den Roßalmen und der Starkenfeldhütte. Gerd entledigt sich - schmerzverzerrt seines Rucksackes. Andi und ich wechseln uns fortan mit dem Vergnügen zwei Rucksacke hinaufbefördern zu dürfen ab. Durch die Fichtenwälder geht es über 1300 Hm stetig bergauf und Mühlbach verschwindet langsam im Morgendunst. Auf den letzten Metern zur Starkenfeldhütte fröstelt es uns, da ein kühler Wind gegen unsere feucht geschwitzten Radhemden bläst. Die Wirtin der Hütte hat bereits den offenen Kamin angeschürt. Als wir den Raum betreten vernebeln Rauchschwaden den Raum, bis genügend Durchzug entsteht. Nachdem wir unsere Shirts auf die Terrasse zum Trocknen gehängt und den warmen Fleece übergestreift haben, erwärmen sich unsere Körper. Je nach Geschmack bestellt jeder ein warmes Essen, besonders Gerd ist von dem Gulasch und der Kochkunst der Hüttenwirtin begeistert. Schon früh am Nachmittag erreichen wir Zwischen­wasser. Dort halten wir nach einem Cappuccino Ausschau, jedoch ist in einem Lokal die Kaffeemaschine kaputt und das andere hat geschlossen, so holt sich jeder was im Supermarkt zu essen. Die letzten Kilometer nach St. Vigil legen wir auf der Straße zurück. Immer wieder beeindrucken uns die teils in Wolken gehüllten Dolomitenfelsen. Nach dieser anstrengenden Etappe sind wir uns einig, daß wir eine Unterkunft mit Sauna und Whirlpool brauchen. Bei einem Hotel Garni haben wir Glück und können unsere Wünsche erfüllen. Wir holen uns von der Wirtin Getränke und verbringen gute 2 Stunden in dem toll gestalteten Naßbereich.

5. Tag: St.Vigil - St.Kassian

Am Morgen hat es deutlich abgekühlt. Jeder holt seine lange Radhose aus dem Rucksack und auch Fleece-Pullover und Regensachen werden ganz oben in den Rucksack gepackt. An diesem Tag stehen nicht ganz so viele Höhenmeter auf dem Programm. Allerdings steigt die Straße nach Pederü nur gering an, so stellen wir uns schon geistig auf einen steilen Uphill ab Perderü ein. Schon von weitem erkennen wir die sich emporwindende Schotter-Sandpiste hinauf zur Faneshütte. Viele gehfaule Wanderer lassen sich von der Alm Pederü mit Jeeps, die als Taxis fungieren, zur Fanes­hütte hinaufkarren. Der Anstieg stellt sich wirklich als sehr steil heraus und jeder schaltet in seinen kleinsten Gang. Häufig rutscht auch noch das Hinterrad auf dem losen Untergrund durch. Das kostet Kraft. Nach den Serpentinen peitscht uns immer wieder ein unangenehm kalter Wind entgegen, so daß wir häufig stoppen müssen um uns an- und auszuziehen. Zwischen einer schroffen Felslandschaft erblicken wir die Faneshütte auf 2.051m. Die Hütte ist sehr gemütlich. Andi und ich essen Bandnudeln mit frischen Schwammerln. Die Anstrengung vom Anstieg ist vergessen.
Über die große Fanesalm läßt es sich kraftsparend radeln, jedoch wissen wir, daß uns bald wieder ein gestrichelter Pfad erwartet. Die ersten Regentropfen zwingen uns in die Regenkleidung und die Kühe zwingen uns immer wieder zum Stehen. Jetzt rechts ab, Col d`Ega. Nur die ersten steilen Stufen sind nicht fahrbar und wir tragen das Rad bergab. Dann haben wir Trialspaß pur. Aber nicht nur der Pfad auch das Wetter wird langsam bedrohlich. Der Himmel wird immer schwärzer und ein Gewitter kündigt sich an. Es beginnt heftig zu regnen. Die Steine, die Rinnen gefüllt mit Schotter und die querliegenden Baumstämme werden immer glatter und es wird zunehmend schwieriger zu fahren. Lenken ist eigentlich nur noch mit Körperbewegung möglich und so etwas wie Halt gibt es keinen mehr, denn wegen der nassen Witterung ist die Wirkung unserer Bremsen auf dem steilen Abhang gleich Null. Als das Gelände flacher wird ziehen wir sogar unsere Neoprenüberschuhe noch über. In St. Kassian haben wir wieder ein schönes Hotel mit Halbpension, Sauna und Whirlpool. Wir können uns wieder prächtig entspannen und trocknen alle unsere nassen Klamotten im Zimmer, weil es draußen immer noch kräftig regnet.

Das Zimmer gleicht einer Wäscheleine. Überall hängen nasse Kleidungsstücke. Leider verspricht der Wetterbericht nichts gutes. Schneefall ab 1300m wird angekündigt. Unsere Unterkunft liegt zwischen 1500 und 1600m. Noch schneit es nicht - die Weiterfahrt würde uns aber auf 2.600m Höhe führen. Da unsere Weiterfahrt gefährdet ist, machen wir uns schon Gedanken wie wir nach Deutschland zurückkommen könnten. Wo ist der nächste Bahnhof?

6. Tag: St. Kassian - Bruneck

Das Gewitter vom Vorabend hat einen Wetterumschwung eingeleitet. Es hat sehr stark abgekühlt und wir messen knapp 7 Grad am Morgen. Als wir jedoch den blauen Himmel sehen, sind wir wieder zuversichtlich. Nach dem Frühstück trübt es allerdings wieder ein und es beginnt stark zu regnen. Wir lesen den Wetterbericht der örtlichen Zeitung. Er verheißt nichts gutes. Wir beratschlagen und überlegen. Irgendwann entschließen wir uns dann doch zum Abbruch. Schneefall ab 1300m ist angesagt - und wir wollen auf über 2.600m . Also auf nach Bruneck und mit dem Zug über den Brenner nach Österreich. Andi telefoniert und holt Auskünfte über Abfahrtszeiten ein. Wir ziehen uns derweil regenfest an. In strömendem Regen fahren wir auf der Straße nach Bruneck. Nach gut 1 Std. Regenraserei erreichen wir den Bahnhof in Bruneck, strippen in der Wartehalle und ziehen uns trockene Kleidung an. Nach einem wärmenden Cappuc­cino und einer Specksemmel, steigen wir in den Zug nach Franzensfeste. Der Regen läßt nicht nach und bis zum Brenner schüttet es wie aus Eimern. Erst in Innsbruck auf der Alpennordseite beruhigt sich der ewige Regen. Wir reden schon wieder über eine Fortsetzung der Tour im nächsten Jahr. Vielleicht bis zum Gardasee oder in den Seealpen? Aber auf jeden Fall eine Tour. Biken macht süchtig!

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